Eva und der Zorn des Bischofs

Eva und der letzte Bus nach Sioux City


„Das ist keine Limousine“, sagte sich Eva genervt, als sie aus dem Flughafen in Las Palmas hinaus in die sengende Sonne trat.

Sie war eh schon leicht verschwitzt, weil sie immer noch ihr graues Kostüm mit der grünen Seidenbluse trug, das sie in Frankfurt angezogen hatte. Das Grün war inzwischen, um einige Töne dunkler, aber als sie das kleine Häuschen von Tante Gerda verkauft und das Bargeld in den Koffer verstaut hatte, wollte sie partout bei dem Banker einen geschäftsmäßigen Eindruck hinterlassen. Schließlich verkloppte man nicht jeden Tag eine Erbschaft, um damit ein neues Leben anzufangen.

Fotomodel auf Gran Canaria. Ein Traumjob. Und gleich auf der Seite neben der Todesanzeige von Tante Gerda, hatte Eva dieses Jobangebot gefunden. Fotomodel auf Gran Canaria gesucht. Gutes Honorar und Flug inklusive. Was wusste Fräulein Eva schon, was ein gutes Honorar war. Sie fragte auch gar nicht nach. Es war ein Wink des Schicksals, wo sie doch sowieso nach Gran Canaria wollte, dass sie nicht nur den Flug umsonst bekam, sondern auch schon einen Job in Aussicht hatte.

Nun mit dem Abhol-Service vom Flughafen, das war wohl nichts. Am Schalter der Fluglinie hatte ein Busticket und ein Zettel mit einer Adresse bereit gelegen. Na toll. So hatte Eva sich das nun wirklich nicht vorgestellt.

Leicht verunsichert stakste Eva die zwei Stufen hinauf in den Bus. Der Fahrer war ein kleiner braungebrannter Zwerg mit einem Gesicht, das aussah als hätte er es 200 Jahre der Witterung in den Hochalpen ausgesetzt.

Eva hielt ihm das Ticket, dann den Zettel mit der Adresse hin und der Busfahrer nickte unwirsch. Er zeigte lapidar nach hinten den Fahrgastraum. Fräulein Eva interpretierte das so, dass der Fahrer ihr Bescheid geben würde, wenn sie aussteigen müsste. Aber ganz sicher war sie da nicht.

Eigentlich wäre sie gerne vorn in seiner Nähe geblieben. Aber zwei Bauernburschen mit einer Ziege auf dem Arm, die offensichtlich krank war, nahmen die Plätze in Beschlag. Also verzog sich Eva lieber nach hinten zu der älteren Frauen mit ihrer Einkaufstasche.

Eva versuchte freundlich Blickkontakt zu der Frau aufzunehmen und sich auf die Bank gegenüber zu setzen. Doch in diesem Moment setzte sich der Bus in Bewegung. Eva hatte noch ihren kleinen Koffer in der Hand, die hohen Pumps an den Füßen und der Fahrer hatte offenbar zu viele Formel-1-Rennen gesehen.

Letztlich konnte Eva sich nicht halten und stürzte der eben noch lächelnden Frau entgegen. Die Frau hielt wie zur Abwehr ihre Einkaufstasche hoch vor die Brust und Eva schlug mit voller Wucht darauf auf. Der Aufschlag war dermaßen hart, dass zwei Milchcontainer in der Tasche platzten und sich über die ältere Frau ergossen.

Offensichtlich verstand man hier im Süden weit weniger Spaß als in den nördlichen Gefilden, die Fräulein Eva gerade wegen der mangelnden Leichtigkeit des Seins verlassen hatte.

Die Frau keifte jedenfalls auf Spanisch los, ganz so als ob Eva das mit Absicht getan hätte. Während Eva noch versucht sich wieder aufzurichten, griff die Frau in die Einkaufstasche und zog eine Schale mit kaputten Eiern heraus und fluchte wieder laut los. Eva versuchte sich irgendwie zu entschuldigen, aber die Frau hörte gar nicht zu. Sie nahm die einzigen beiden heilen Eier und warf sie nach Fräulein Eva. Dem zweiten konnte sie ausweichen, aber das erste war auf ihrer Brust zerplatzt und tränkte gerade die grüne Bluse mit Eiweiß und einem unschönen gelben Klecks, der bei der Hitze hier, in Kürze mit dem Stinken anfangen würde.

Jetzt wurde auch Eva so langsam sauer und die Frau kramte schon wieder in ihrer Taschen. Ganz klar sie sucht nach weiteren Wurfobjekten, aber Eva kam ihr zuvor. Sie griff nach der Tasche und riss sie ihr weg. Jedenfalls beinahe, denn leider hatte Eva nicht nur ihre Tasche, sondern auch ihre schwarze Bluse erwischt. Es war ein hässliches Knirschen als der Stoff riss. Eva hätte jetzt sofort losgelassen, aber der Busfahrer hatte wohl nur noch Augen für seinen Rückspiegel und den vor ihm haltenden Wagen zu spät gesehen.

Als Folge dieser Vollbremsung stand die ältere Frau plötzlich so gut wie ohne Bluse da. Irgendwo musste Eva sich ja festhalten, wenn man sie nicht vorn von Scheibe abkratzen sollte.

Eva wusste, dass sie jetzt nicht hätte lachen sollen, aber als sie die ältere Frau dort in ihrem lachsfarbenen Longline-Büstenhalter sah, konnte sie nicht anders. Vor allem weil sie bemerkt hatte, dass bei dem Büstenhalter die Brustwarzen freilagen, weil an dieser Stelle der BH auftrennt wohl worden war. Das sah einfach zu komisch aus.

Eva lachte immer noch, als sich der verdutzte Blick der Frau so langsam ins Grimmige steigerte. Spätestens jetzt hätte sie betroffen gucken sollen und sich irgendwie entschuldigen müssen, aber es war eh zu spät.

Wirklich schnell war die alte Frau nicht, aber schnell genug um Fräulein Evas lange Haare zu erwischen. Das tat natürlich weh und Eva versuchte ihre Hände abzuwehren. Aber so langsam, wie die Frau sich bewegte, so kraftvoll war ihr Griff und zwang Fräulein Eva zu Boden. Wer weiß, was sie mit ihr gemacht hätte, wenn der Busfahrer nicht endlich eingeschritten wäre.

Was der Busfahrer genau sagte verstand Eva nicht, aber die ältere Frau ließ sie los.

Als Eva sich wieder aufrappelte hatte, stellte sie fest, dass sie am Knie eine Laufmasche hatte und einer ihrer Strumpfhalterclips kaputt gegangen war. Der Busfahrer stand noch immer im Gang und brüllte etwas. Eva verstand nur Bahnhof und hinter dem Busfahrer war eine junge Krankenschwester zugestiegen. Sie drängelte sich an dem Fahrer vorbei und rief Eva etwas zu.

„Sie sollen ihr eine Bluse geben. Er fährt nicht weiter mit einer halbnackten Frau im Bus.“

Die dicke, ältere Frau grinste breit und zeigte auf Evas grüne mit Ei verschmierte Bluse. Eva zog ihre Kostümjacke aus und gab der Frau die Bluse. Ihr BH war wenigstens nicht nippelfrei und der Busfahrer grunzte zufrieden.

„Spanisch ist nicht gerade Ihre Stärke“, sagte die Krankenschwester und stellte ihre Plastiktüte auf den Sitz neben Fräulein Eva.

„Noch nicht. Ich komme gerade erst aus Deutschland“, erklärte Eva.

„Ich bin vor 14 Jahren aus Wangerooge hierher gezogen“, erklärte die Schwester. „Wenn schon Insel, dann nicht auch noch ewig Wasser von oben, habe ich mir damals gedacht. Zu Besuch hier?“
„Nein, ich habe ein Fotoshooting, hier.“

„In Sioux City?“

Eva sah auf dem Zettel nach und nickte.

„Da will ich auch hin, prima.“

Eva stand immer noch in ihrem schwarzen BH da und bemerkte, dass der Fahrer schon wieder leicht verärgert nach hinten schaute.

„Ich sollte mir was anziehen“, sagte Eva und zog schon mal die Kostümjacke über. In ihrem leichten Reisegepäck war nicht wirklich viel Auswahl und die Container-Koffer mit ihren übrigen Sachen kamen erst übermorgen per Schiff an. Was ihr vor allem fehlte war ein heiler Strumpfhalter. Sie hatte zwar an Strümpfe zum Wechseln gedacht, aber nicht daran, dass eine wild gewordene Spanierin ihr den Strumpfhalter zerreißt. Wirklich gut sah die rundliche Frau in Eva Bluse nun auch nicht aus. Sie war einfach nur vier Nummern zu klein und wenn die Frau sich noch einmal aufregen würde, flögen hier die Knöpfe wie Schrappnelle durch den Bus.

„Ja“, sagte die Krankenschwester. „Ich muss mich auch umziehen, so kann ich wohl kaum auf dem Set auflaufen.“

Model Eva starrte leicht genervt in den kleinen Koffer, der war vollgestopft mit Schminksachen. Schließlich wollte sie zu einer Fotosession und nicht zu einem Vorstellungsgespräch. Die Krankenschwester zog zwei farbenfrohe, einfach geschnittene Sommerkleider aus dem Beutel und hielt sie Eva hin.

„Dies hier, oder?“

Eva sah sich die kurzhaarige Blondine an, dann die Kleider und nickte. Das andere war eindeutig zu gelb und stand einer blonden Frau wohl eher nicht.

„Meinst du, das kann man irgendwie reparieren“, fragte Eva und zeigte ihr den kaputten Strumpfhalterclip. Sie fand es eigentlich in Ordnung die Krankenschwester zu duzen, wenn sie ihr schon ihre Unterwäsche zeigte. Das sah die Krankenschwester wohl ähnlich.

„Da ist die Lasche abgerissen, sonst könnte man es nähen.“

Die dicke ältere Frau in Evas Bluse grinste breit. Aber nicht mehr bösartig. Inzwischen schien sich Madame wieder beruhigt zu haben und betrachtete die Angelegenheit wohl auch eher von der komischen Seite. Jedenfalls kramte sie eine Schere aus der Handtasche und zog ihren schweren schwarzen Rock bis weit übers Knie.

Da sah man 4, 6, 8, nein zwölf Strumpfclips an ihrem Hüfthalter. Einen davon schnitt sie ab und reichte ihn Eva. Dann suchte Sie aus ihrer Handtasche noch ein kleines Nähset heraus und reichte es der Krankenschwester. Offenbar war sie sicher, dass Eva nicht nähen konnte.

Eva bedankte sich, denn so viel Spanisch konnte sie schon noch und fand die Frau jetzt unerwartet nett. Auch, wenn ihre Bluse immer noch aus allen Nähten zu platzen schien und sie ihr Nähzeug sicherlich in den nächsten paar Minuten selber gut gebrauchen könnte.

Die Schwester hatte ein Händchen für Nadel und Faden. Sie hockte im Mittelgang und nähte äußerst geschickt den Strumpfhalter wieder an. Glücklicherweise war der schwarz, so dass der Schaden kaum auffiel. Höchstens, dass die von Model Eva Laschen aus Kunststoff hatten, während die von der Spanierin aus Metall waren, störte ein wenig. Überhaupt, wieso trug diese Spanierin einen schwarzen Hüfthalter zu einem lachsfarbenen BH? Geschmack war wohl nicht jedermanns Sache.

„Das ist keine Spanierin“, klärte die Krankenschwester Fräulein Eva ebenfalls flüsternd auf. „Sie ist Holländerin und heißt Miss Primm. Sie verbringt hier jedes Jahr ihre Ferien.“

Damit war dann auch klar, wieso Eva trotz ihrer einfachen Spanisch-Kenntnisse kein Wort von Miss Primms Fluchen verstanden hat. Das war nämlich holländisch.

Eva lächelte freundlich zu Miss Primm herüber und dachte sich ihren Teil über Holland als Solches.

„Fertig“, freute sich die Schwester und sprang auf. Sie reichte Primm die Nähsachen zurück und betrachtete zufrieden ihr Werk.

„Hält! … Zeit sich endlich umzuziehen, wir sind gleich da!“ Sie knöpfte ihren Kittel auf. „Willst du so bleiben?“

Nein, das wollte Eva nicht. Jedenfalls nicht, seit ihre Bluse den Besitzer gewechselt hatte. Eva hatte noch einen weiten Rock mit Blumenmuster und ein ärmelloses Top in ihrer Tasche.

„Sollen wir uns wirklich hier umziehen“, fragte Eva unsicher.

Die Krankenschwester sah sich um, außer ihnen waren nur noch drei Passagiere im vorderen Teil des Busses.

„Klar, warum nicht?“

Eva überlegte noch warum eigentlich nicht, während sie ihren Rock auf die Füße gleiten ließ und bewundernd sah, wie Krankenschwester im weißen Korselett ihre Brüste betastete.
„Ich hoffe das reicht um weiter zukommen“, erklärte sie und fuhr weiter mit den Händen die Rundungen ihrer Oberweite ab.

Das reichte in jedem Fall, um weiter zu kommen, dachte Eva, während sie reflexartig versuchte sich an einer der Haltestangen festzuhalten. Die Krankenschwester war nicht schnell genug und schlitterte den Gang entlang. Das war sicher nicht schmerzfrei.

Der Busfahrer war nun vollends verärgert. Er hatte eine Vollbremsung gemacht und die Türen geöffnet, noch bevor der Bus zum Stillstand gekommen war.

„Raus!“, brüllte er und kam den Gang in Zeitlupe nach hinten gestürmt. „Raus, aus meinem Bus, ihr Flittchen!“

Die Krankenschwester hatte sich noch nicht ganz wieder aufgerappelt und hielt ihr scheinbar schmerzendes Knie, da hatte der Fahrer sie schon am Arm gepackt und schob sie unsanft zur hinteren Bustür.

„Was denn?“ schrie die Schwester wütend.

„Striptease in meinem Bus!“ brüllte ihr der Fahrer nach und zerrte nun auch Fräulein Eva am Arm aus dem Bus. „Das könnt ihr Zuhause machen, aber nicht in meinem Bus!“

Eva hatte wenigstens noch ihr Jackett an, aber die Krankenschwester, stand bloß in ihrem weißen Korselett an der Straße und rief: „Hey gib uns unsere Sachen raus.“

„Die stelle ich euch an die Haltestelle in Sioux City! Da wolltet ihr doch hin“, grunzte der Busfahrer und schloss die Türen.

Immer noch verblüfft sah Eva dem Bus nach, der sich gemächlich wieder in Bewegung gesetzt hatte.

„Klasse, das war der letzte Bus nach Sioux City“, maulte die Schwester. „Und was machen wir jetzt?“

Weit konnte es wohl nicht mehr sein, vermutete Eva. „Wir gehen die paar Meter zu Fuß.“

Sie sah die Straße hinunter. Sie war lang und staubig, eigentlich endlos.

„Ich bin übrigens Katja“, sagte die Schwester, die dem Blick von Eva folgte und leicht die Schultern hängen ließ.

„Eva“, entgegnete Model Eva. „Wir tragen Strapse, hier ist niemand weit und breit und wir haben unsere Sonnenbrillen auf. Was soll schon passieren? Los geht’s.“

Katja zögerte.

„Lass uns einfach auf den nächsten Wagen warten. So nimmt uns bestimmt jemand mit.“

Eva schaute sie über den Rand der Brille an.

„Was meinst du wohl, was der will, wenn er zwei Frauen in Strapse auf der einsamen Landstraße aufsammelt?“

„Besser das, als kaputte Füße“, behauptete Katja.

„Wohl kaum“, stellt Eva klar. „Ich werde ganz sicher nicht auf so einem verlausten, spanischen Stier reiten, nur um keine Blasen an den Füßen zu bekommen. Ich gehe. Und wenn ich meine Pumps hinterher in die Tonne werfen kann.“

Katja folgte ihr mürrisch, blieb aber nach knapp zehn Metern wieder stehen.

„Wir sehen uns in Sioux City, geh du schon mal vor.“

„Okay“, sagte Eva, die ganz sicher war, dass sie auf gar keinen Fall sich mit so einem spanischen Lümmel herumschlagen wollte.

*

Wirklich weit war sie auf ihren spitzen Absätzen nicht gekommen, zumal die Straßen hier nicht so waren, wie daheim und ein Gehweg war natürlich auch nirgends zu finden, als ein Lkw neben ihr hielt.
„Komm rauf“, rief Katja von der Ladefläche herunter. Sie hatte es sich auf einem Haufen Heu bequem gemacht. „Das ist nur ein schwuler Kuhhirt, der neues Heu zum Stall fährt. Brauchst keine Angst haben. Und wenn, … dann erledige ich das, okay!“

Eva sah auf die Ladefläche des Transporters, sie sah auf den Fahrer mit seinen vielen Goldkettchen um den Hals und bemerkte das für einen Kuhhirten untypische, süßliche Eau des Cologne, das durch das offene Seitenfenster heraus wehte. Sie sah noch einmal die Straße runter, auf ihre Füße und beschloss sich doch lieber Katja anzuschließen.

Die Krankenschwester im Korselett half ihr auf die Ladefläche und warf sie lachend ins Heu. Dann schlug sie mit der flachen Hand auf das Dach der Fahrerkabine und der Laster setzte sich ruckelnd in Bewegung. Auch nicht viel schneller als zu Fuß, aber wesentlich bequemer.

Katja hatte sich zu Eva ins Heu fallen gelassen. Alles pikste und juckte auf der Haut, aber das war Eva egal, solange sie nur nie wieder mit dem Bus nach Sioux City fahren musste.

Beinahe wäre sie in den Armen von Katja eingeschlafen, aber es war wirklich nicht so weit und nach nur zehn Minuten Fahrt hielt der Laster vor den Toren von Sioux City und lud zwei junge, halb bekleidete Damen in Strapse ab, die ein wenig ratlos vor ihrem Gepäck standen und sich dann daran machten sich wieder was anzuziehen, um endlich mit ihrer Karriere als Foto-Model durchzustarten.

Eva und der wilde Westen


Was genau sich Eva unter „Sioux City“ vorgestellt hatte, wusste sie eigentlich selber nicht. Streng genommen hatte sie darüber auch gar nicht nachgedacht. Das war halt eine Stadt auf Gran Canaria. Sonst nichts.

Doch dieses Sioux City kam ihr so überhaupt nicht Spanisch vor. Es war tatsächlich, wie der Name hätte vermuten lassen, eine Westernstadt. Natürlich keine echte, jedenfalls nicht wirklich echt.
Da standen Holzhäuser, es liefen einige Cowboys durch die Straßen und eine Unmenge Touristen mit Kameras. Sioux City war eher eine Art Freizeit Park.

Warum hier mitten im Atlantik eine amerikanische Westernstadt aufgebaut worden war, blieb wohl für immer das Geheimnis der Einheimischen. Katja jedenfalls schien gewusst zu haben, was Sioux City war und als sie Evas belämmertes Gesicht beim Anblick der Holzbaracken sah, schlug sie sich rhythmisch mit der Hand auf den Mund und ließ belustigt eine Art Indianergeheul ertönen.

Wehe, wenn die sie hier als Rothaut schminkten und in irgend so ein sackähnliches Indianerkostüm steckten, dann bekäme Eva einen ernst zu nehmenden Nervenzusammenbruch. Sie wollte ihre Beine zeigen und überzeugen und nicht in Sackleinen gehüllt, bis zur Unkenntlichkeit geschminkt irgendwelche Pferde halten.

Fräulein Eva überlegte, ob sie noch die Beruhigungstablette hatte, die sie sich vorsorglich für den Flug eingesteckt hatte, nur für den Fall von Turbulenzen. Aber nein, das würde sie auch noch durchstehen. Sie liebte Gran Canaria, ob nun mit oder ohne Feder auf dem Kopf.

Wenigstens hatte sie wieder ein Kleid an und damit trat der ursprüngliche Plan in Kraft. Fotos machen, Geld kassieren, ab ins Hotel, aber nicht mit dem Bus, dann in die Badewanne und den Sonnenuntergang mit einem Campari Orange irgendwo in einem Straßencafé geniessen. Hüfthalter zurecht gezogen, letzter Blick in den Schminkspiegel und los ging‘s.

*

Das Büro des Agenten war schnell gefunden. Gut es stand draußen Sheriff dran, aber darunter hing ein Zettel: Casting Büro.

Katja grinste beim Anblick der Zellen. „Wer nicht mitspielt, kommt da rein“, flachste sie.

„Und muss einen zweistündigen Cage-Dance machen“, ergänzte Eva.

„Einen was?“ fragte Katja und hatte offenbar keine Ahnung wovon sie sprach.

„Ach nichts“, sagte Eva schnell und dachte an die Zeit, als sie gleich nach der Schule ihr erstes Geld in der Bar Caveland verdient hatte. Da tanzten die Mädels zur Animation in großen Gitterkäfigen, allerdings mehr zu ihrem Schutz, als dass sie dort eingesperrt gewesen wären. Das waren noch Zeiten, als sie stundenlang in einem Latex-Anzug wie Catwoman in einer Bar tanzen konnte. Diese Zeiten waren aber vorbei und Latexklamotten mochte sie sowieso nicht wirklich, die klebten immer so am Körper und schränkten die Bewegungen ein.


*

„Das ist er“, unterbrach Katja Evas Tagträume. „Der Produzent.“

Den hätte Eva auch so erkannt. Dem stand das Wort Produzent förmlich auf die Stirn geschrieben. Allerdings hätte man es nicht lesen können, da es sicherlich von der Sonnenbrille mit den riesigen randlosen, goldgetönten Gläsern überdeckt worden wäre.

Nun ja zur Not hätte man es ja auch auf seiner Brust, als Schriftzug an der kiloschweren Goldkette in seinem sieben-Knopf-offenen, weißen Hemd lesen können. Obwohl es da sicherlich vom Brustpelz überwuchert worden wäre. Aber gerade darum mussten diese Ketten ja immer so dick sein.

„Seid Ihr die Mäuse für den Tresen?“

„Nein“, entgegnete Model Eva energisch. „Wir sind für die Fotos hier.“

Der Produzent versuchte sie über den Rand der Brille hinweg, missmutig anzusehen, aber dafür hätte er das Kinn nun wirklich bis auf die Brust absenken müssen.

„Sag ich ja, die Bilder für den Saloon“, grunzte der Produzent und sah in seiner Liste auf dem Klemmbrett nach. „Also, wir machen hier die Promotion-Bilder für das Programm im nächsten Jahr. Das kriegen dann die Reiseveranstalter. Ihr kommt in der Saloon-Szene dran, oder wollt ihr lieber Indianerinnen sein? Ich hätte da noch …“

„Nein, nein!“ riefen Katja und Eva gleichzeitig. „Wir machen den Saloon.“

„Gut, dann sind wir uns einig“, stellte der Produzent zufrieden fest und machte ein Häkchen auf der Liste.

„Ihr meldet euch jetzt im Saloon, Treppe rauf und das zweite Zimmer rechts. Da macht Primm eure Garderobe, klar?“

Eva hatte ein gutes Gedächtnis und konnte sich sehr wohl an diese Primm im nippelfreien BH erinnern. Hey, das war gerade mal zwei Stunden her. Das konnte ja heiter werden.
„Und auch wenn ihr hier als Saloon-Huren rumlauft“, erklärte der Produzent und hob ermahnend seinen Stift in die Höhe, „denkt dran, wir sind hier ein Freizeitpark, auch für Kinder, mit Streichelwiese und so. Also: Benehmt euch anständig. Keine Kaugummis ausspucken und haltet die Beine zusammen!“

Eva wurde rot. Der Kerl machte sie wütend. Wegen dieser Kaugummis war sie damals schon aus dem Escort-Geschäft ausgestiegen. Fräulein Eva hatte noch nie im Leben ein Kaugummi ausgespuckt. Ihr so etwas zu unterstellen war der Gipfel der Unverschämtheit. Sie pumpte sich gerade innerlich so richtig auf, da zog Katja sie am Ärmel aus dem Sheriff-Büro.

„Alles klar, zweites Zimmer rechts“, sagte sie und zischte Eva zu. „Reg dich bloß nicht auf!“

„Ich soll mich nicht aufregen?“ zischte Eva zurück. „Der hat uns behandelt, als wären wir irgendwelche Hupfdohlen aus der Bäckerinnung.“

„Ja, ja, ist ja gut. Aber sei bloß ruhig. Weißt du nicht wer das ist? Das war Dicky Dick Johannson. Der kontrolliert hier den halben Tourismus. Wenn wir uns mit dem gut stellen, haben wir bald reichlich zu tun?“

„Dicky Dick, Johannson?“

„ Ja, ein Schwede?“

„Das war doch kein Schwede?“ kicherte Eva. „Das einzig Blonde an dem sind die Haare auf die er schaut, wenn er sich einen blasen lässt.“

„Ist doch egal. Jedenfalls nennt der hier alle seine Kumpels: Alter Schwede. Und der hat verdammt viele Kumpels“, erklärte Katja ernst. „Ich will hier noch was werden, ja, also …!“

Das wollte Eva auch. Wenn es denn sein musste, auch mit einem schwarzhaarigen Schweden, aber nur wenn er mit diesem Kaugummi-Quatsch aufhörte.

*

Zweite Zimmer rechts. Klopfen vorm Eintreten. Eva war immer noch so wütend, dass sie das mit dem Eintreten am liebsten wörtlich genommen hätte.

„Ach sieh mal an“, freute sich Primm. Plötzlich konnte sie Englisch. „Ihr beiden Hübschen seid die Bordsteinschwalben.“

Eva und Katja grinsten breit. Sie wussten wirklich nicht, was sie dazu jetzt sagen sollte. Vor ihnen stand Primm in einem Taillenkorsett mit zwölf Strumpfhaltern und entblößter Brust.

„Na, dann mache ich euch mal zurecht“, sagte Primm immer noch belustigt und suchte aus einem grossen Koffer Wäschestücke heraus.

„Habt Ihr schon mal Korsett getragen“, fragte Primm und hielt zwei schwarze Unterbrust-Korsetts hoch.

Eva ja, Katja nein.

„Ist der Wilde Westen hier, klar? Ist aber nicht schlimm, ich helfe euch beim Schnüren.“

„Okaaay“, sagte Eva gedehnt und ihr schwante nichts Gutes.

Die Korsetts waren schnell angelegt, aber nicht richtig.

„Du musst dich vom Mittelpunkt der Taille, wo es am engsten sein soll in beide Richtungen abwechselnd vorarbeiten. Jede Kreuzung der Schnüre einzeln fest anziehen. So hier …, wie eine Lasche.“
Primm zeigte Katja, wie sie Eva weiter schnüren sollte. Primm hatte Kraft.

„PHHuo“, stöhnte Eva, als Primm, die zweite Lasche zusammenzog.

„Wenn es nicht anders geht, dann rauf mit dem Knie aufs Steißbein. Eva spürte einen heftigen Druck auf ihrem Steißbein und ihr blieb fast die Luft weg, als Primm sich abstützend, die nächste Lasche anzog.

„Wow“, keuchte Eva. „Muss das sein? So eng?“

„Für dich kann’s doch gar nicht eng genug sein“, knurrte Primm und Eva hatte wieder die platzenden Milchtüten vorm Auge. Das hatte Primm wohl doch noch nicht so ganz vergessen.
Sie atmete tief ein, um den Brustkorb zu füllen, während Primm schnürte. Schließlich wollte sie ja auch nach dem Schnüren noch ein wenig Luft kriegen.

Kaum hatten Katja und Eva ihre Korsetts angezogen und bewunderten sich und ihre eng geschnürte Figur in dem alten verstaubten Spiegel, hielt Primm ihnen etwas weißes, wohl zum Überziehen hin.
„Bloomers!“ erklärte sie knapp. „Damals haben die Saloon-Huren Bloomers getragen.“

Eva hatte noch Erinnerungen an weite, weiße Unterhosen aus ihrer Kindheit. Da hatte sie eine Zeitlang so etwas tragen müssen. Nein, die hier waren anders. Das waren fast richtige Hosen, allerdings im Schritt geschlitzt. Pluderhosen um genau zu sein.

„Das trage ich nicht“, stellt Eva möglichst sachlich klar. Und als sie Primms verständnislosen Blick sah, fügte sie hinzu: „Da sieht man meine Beine gar nicht.“

Selbst als Rothaut wäre sie noch besser gefahren, denn diese blöden Bloomers gingen ja bis übers Knie!

„Wenn ich deine Beine hätte“, bemerkte Primm, „würde mich das auch ärgern.“ Das war ein anmerkender Blick, der Eva sehr versöhnlich stimmte.

„Komm, schon, Geschäft ist Geschäft!“

Katja hatte bereits begonnen sich die Bloomers überzuziehen. So schlimm sah das gar nicht aus, stellt Fräulein Eva beruhigt fest.

„Mir bleibt wie jedes Jahr nur das hier!“ Primm hatte ein langes Kleid übergezogen und rückte ihre mächtigen Brüste zurecht. Und zwar so, dass man das Gefühl hatte, sie würden jeden Moment herausquellen. „Ich bin hier immer nur die Puffmutter. Meinst du nicht ich würde auch gerne mal mehr zeigen, als immer nur meine Möpse?“

Wenigstens war jetzt klar, dass Primm nicht an kompletter Geschmacksverirrung litt, sondern das schwarze Taillenkorsett aus beruflichen Gründen schon mal zuhause angelegt hatte. Der lachsfarbene Büstenhalter gehörte somit bestimmt zu ihrer normalen Unterwäsche.

Mürrisch zog Eva die Bloomers über. Geschäft ist Geschäft.

„Jetzt kommt das Beste“, freute sich Primm und kramte aus einem großen Umzugskarton, passende Schuhe, nein Latschen.

„Was ist das denn?“ kreischte Katja.

„Schuhe“, erklärte Primm grinsend. „Hast du gedacht, die hätten frühe solche spitzen Pumps getragen?“

Nein das nicht, aber das hier waren echte Treter. Flacher breiter Absatz, vorne wie mit dem Beil abgetrennt, das waren beim besten Willen keine Schuhe, die man einer Frau zumuten konnte. Fanden jedenfalls Eva und Katja übereinstimmend.

Primm unterbrach das unweigerlich folgende Fachgespräch über Schuhe, an dem sie zwar liebend gerne teilgenommen hätte, das aber derzeit ihren Zeitplan aus den Fugen geworfen hätte.
„Zieht’s an, wir müssen jetzt runter!“

*

Der Saloon war wirklich ein Designer-Stück der amerikanischen Baugeschichte. Er war dreistöckig, mit zwei Galerien, einer breiten Treppe an der deren Seiten riesige Lautsprecherboxen hingen. Klar ohne Technik, ging auch damals nicht. Unter der Decke hing eine Südstaatenflagge und sehr beliebt war hier die Farbe Blau. Ansonsten dominierte ein eher spartanisch angeschliffenes Holzdielenambiente. Ein Ort, wo sich Eva sofort nicht sonderlich wohl fühlte.

Egal. Es ging darum für die Promotion-Bilder eine heitere Saloon-Szene nachzustellen. Dazu gab es Westernmusik aus der Konserve und einige Cowboys, die die Gäste spielten.

Die Cowboys selbst waren wohl eher betrunkene Touristen, die Dicky Dick bestimmt für einen Appel und ein Ei vom Strand gelockt und hier zur Staffage in Cowboy-Klamotten gesteckt hatte. Dicky Dick war vermutlich eher ein Schotte, als ein Schwede.

Die Jungs jedenfalls fühlten sich wie letzten Helden von Sioux City und nahmen ihre Rolle sehr realitätsnah ernst. Einer mit einem schief angeklebten Schnurrbart fragte Eva, kaum dass sie sich an seinen Tisch gesellt, ob sie mal seine Kanone sehen wollte.

Sehr witzig. Ganz neu und Eva war sich sicher, dass sie da keinen sechs-schüssigen Trommelrevolver, sondern eher einen rohrkrepierenden Vorderlader vor sich hatte. Die Cowboys waren unangenehm, sie griffen Katja regelmäßig an die Brüste. Die versuchte die Kerle so gut es ging abzuwehren, wie einen lästigen Fliegenbefall.

Die Fotos waren dann aber rasch im Kasten. Besonders hohe Ansprüche ans Licht oder ans Set stellte Dicky Dick wohl nicht. Nach nur drei Stunden standen die Mädels wieder in Dicky Dick Johannsons Büro und holten ihr Geld ab.

„Habt ihr jut gemacht“, erklärt Dicky, leckte sich beim Abzählen des Geldes vor jedem Schein den Finger an. „Seht auch jut aus.“

Eva schüttelte den Kopf. Der Kerl hatte eine Meise. Der soll den Schotter rüber wachsen lassen und gut.

Dicky Dick hatte 210,- Euro auf den Tisch gezählt. Das stimmte Eva einigermaßen versöhnlich. Doch dann teilte er den Haufen durch drei und schob ihn den Mädels hin. Schließlich legte er auf jeden Stapel noch einen Zehner extra.

„Tut a schön noch ein essen jehen“, frohlockte Dicky. „Isch bin ja zufrieden mit eusch.“

„Ist das ein Scherz?“ fragte Eva genervt. Selbst für einen Einheimischen war das zu wenig.

„Wat denn Mädel? Wat hast du denn jedacht?“

Fräulein Eva hatte sich, wie so oft, gar nichts gedacht, sondern die Sache mit dem Fotoshooting einfach für eine gute Idee gehalten.

Aber 70 Euro? Wie sollte sie denn dafür ein Hotelzimmer kriegen? Gut, sie hatte noch ein bisschen Geld mitgenommen. Aber eigentlich musste sie morgen erst mal ein spanisches Konto eröffnen, um das Geld aus Frankfurt zu bekommen. Sie war doch nicht blöd und hatte die ganze Kohle in bar mitgenommen. Obwohl … Jetzt wär’s besser gewesen.

„Brauchst du mehr?“ fragte Dicky Dick und spielte gekünstelt an seinem kiloschweren Goldring herum.

Ja, Eva brauchte deutlich mehr. So wie das jetzt aussah, bekam sie Angst, dass ihr das Geld ausginge, bevor die Überweisung aus Frankfurt kam. Sie hatte sich eindeutig verrechnet.

„Mädel, du hast ja nen hübsches Jesicht und Beine haste auch“, erklärte Dicky mit väterlichem Tonfall. „Da können wir schon was machen. Komm einfach am Montag hier vorbei. Da machen wir dann spezielle Fotos, da ist der Park nämlich für die Öffentlichkeit geschlossen. Du verstehst?“

Was Eva auf alle Fälle verstand, war, dass es bis Montag noch fünf Tage waren. Und das sie bestenfalls für drei Tage Geld hatte.

„Ne, nicht wirklich.“

„Kuckste mal. Ich hab da noch son Internetding am Laufen. Hot Western Babes, weisste. Da kannste dann alles rauslassen. Für richtig jutes Geld.“

„Ich bin dabei“, mischte sich Katja ein, die auf so was wohl nur gewartet hatte.

„Isch jut. Kommt ihr beide?.“

Eva war es inzwischen egal. Sie brauchte das Geld.

„Kriege ich einen Vorschuss?“ fragte sie Papa Dick.

„Naa, na, na. Mädels so ham wa nicht jewetet. Dasch könnt ihr mit Papa Johannson nisch mache.“ Dicky Dick überlegte und schaute den Frauen genau in die Augen.

„Wenns so pressiert, dann schaut mal beim Popen Heinz vorbei.“

Dicky Dick schob den Eva eine Visitenkarte rüber, auf der er drei kleine Kreuze gezeichnet hatte. „Zeigt ihm die Karte, dann könnt ihr schnelles Geld machen.“

„Danke, machen wir.“

Katja war ganz aus dem Häuschen und versuchte Dicky Dick die Hand mit dem Ring zu küssen. Der grinste geschmeichelt und wehrte freundlich ab.

„Lass mal Mädel, dafür isch später noch Zeit.“

*

„Na toll“, grunzte Fräulein Eva auf dem Weg zur Bushaltestelle. „Da hätte ich auch in Frankfurt bleiben können.“

Ihr wurde ein wenig schwindelig, doch das war keine Panikattacke, wie sie im ersten Moment befürchtet hatte, sondern nur die Sonne. Sie bemerkte erst jetzt, dass sie seit Stunden nichts gegessen und getrunken hatte.

An der Bushaltestelle stand tatsächlich ein Bus. Aber es war der Fahrer von heute Vormittag und als der die beiden Frauen auf sich zukommen sah gab er einfach unplanmäßig Gas.
„Mit dir wäre ich sowieso nicht gefahren!“ schrie Eva ihm wütend nach.

„Und was jetzt?“ wollte Katja wissen und klang das erst mal seit Eva sie kannte richtig niedergeschlagen.

„Herrgott, das war nur ein Bus“, schnauzte Eva immer noch wütend. „Wir nehmen uns ein Taxi und fahren was essen, genau wie Dicky Dick gesagt hat. Komm schon Katja, lassen wir es uns heute Abend gut gehen und morgen sehen wir weiter. Dann besuchen wir diesen Heinz, okay?“

„Okay, aber lass uns nach Maspalomas fahren, das ist nur 5 Kilometer von hier und da wohnt eine Tante von mir!“

Katja war mit einem Schlag wieder fröhlich und umarmte Eva, die von diesem Tag wirklich die Nase voll hatte und sich nur noch auf den Abend mit Katja freute.

Eva und der Zorn des Bischofs


Wenigstens der Abend in Maspalomas war so verlaufen, wie Eva es sich vorgestellt hatte. Gut, es war etwas mehr Rotwein geflossen, als es gut für Eva’s Synapsen war, aber sie hatte festgestellt, dass sie Katja richtig gerne mochte und sie schon am ersten Tag eine Freundin in der Fremde gefunden.

Sehr gut war auch, dass sie bei Katjas Tante übernachtet hatten. Das hatte Geld gespart, welches dann der Wein jedoch gleich wieder wegschwemmt hatte. Immerhin besser, als wenn sie beides hätte bezahlen müssen.

Neuer Tag, neues Glück. Der Besuch einer Bank hatte heute absolute Priorität. Um einen guten Eindruck zu machen, hatte Eva sich von Katja Tante einige Sachen geliehen. Auch, wenn die etwas zu groß waren.

Katja war geradezu übermütig gut gelaunt. Ein wahrhaft sonniges Gemüt, das sich automatisch dem Wetter anzupassen schien und hier genau am richtigen Flecken Erde war. Eigentlich hätte sie zum Dienst gemusst, meldete sich aber krank, weil sie viel zu neugierig war, was Eva heute treiben würde und wie die Sache mit diesem Heinz laufen würde. Sie witterte dort ihre ganz große Chance.

Banken waren Banken, überall auf der Welt. Und Schalterfuzzis blieben Schalterfuzzis selbst im Dschungel von Jakarta. Was Wunder, dass Eva natürlich kein Konto eröffnen konnte, nicht ohne Arbeitsvertrag oder zumindest einem festen Wohnsitz. Nun, den festen Wohnsitz wollte Eva ja gerade mit dem Geld erwerben. Ein Catch 22, wie immer, wenn man mit den Fuzzis zu tun hatte.

Gott sei Dank bot die Tante von Katja an, sie vorerst zur Untermiete aufzunehmen. Dann könnte sie einen festen Wohnsitz angeben und endlich ihr Geld bekommen.

Das Einwohnermeldeamt war natürlich nicht in Maspalomas sondern in Las Palmas. Wie auch anders. Eva zählte bereits ihr Geld, um herauszufinden, ob sie wirklich mit dem Bus fahren musste, als Carmen-Maria, die Tante von Katja, einen Autoschlüssel hochhielt und sagte: „Ich muss da sowieso mit. Sonst kommt ihr beiden nur mit einem Haufen Formulare zurück, die ich dann ausfüllen muss.“

Carmen-Maria hatte ein Auto! Selten hatte Eva sich so über den Anblick eines Autoschlüssels gefreut, wie heute. Gut, es war nur ein Fiat 500. Und bedauerlicherweise nicht das neue Modell. Genau genommen war es wohl der erste der jemals vom Band gelaufen war, aber irgendwie würde Eva ihre langen Beine schon da reinkriegen.

Carmen-Maria war eine robuste und gottesfürchtige Frau, weshalb Eva wohl nur die Wahl zwischen verschiedenen schwarzen Blusen gehabt hatte und genau so gottesfürchtig fuhr Carmen-Maria auch.

Fräulein Eva hätte sicherlich auch Schweißausbrüche gehabt, wenn dieser Wagen irgendeine Form von Klimaanlage gehabt hätte und die Temperaturen draussen sich dem Gefrierpunkt genähert hätten. Aber so … Eingequetscht wie eine Sardine in der rasenden Saunakugel Gottes konnte man von einem Schweißausbruch nur träumen. Eva schwamm förmlich in einem Cocktail aus Adrenalin und überflüssigen Wasserreserven.

„Auf Gott vertraut heißt weggeschaut“, murmelte Katja und hielt sich die Hand vor die Augen, als Carmen Maria vor der Kurve ansetzte einen Lastwagen zu überholen. Eva zog sich zwei Laufmaschen, weil sie ihre Nägel tief in die Waden, die sich beinahe auf Brusthöhe befangen, gekrallt hatten.

Das Hupen des Gegenverkehrs, das Bremsen, zurückfallen lassen und ausweichen war eins. Der Knall kam nicht vom Aufprall, das Schlingern war eine natürliche Reaktion des überladenen Fahrzeugs auf einen geplatzten Vorderreifen. Eva hatte noch nicht wieder angefangen zu atmen, als das gottesfürchtige Weib am Steuer anfing zu fluchen wie ein Bierkutscher.

Carmen-Maria war eine liebe und reizende Frau, aber niemand der bei Verstand war, hätte ihr jemals eine Fahrerlaubnis ausstellen dürfen. Eva ersparte es sich, sie nach einem Führerschein zu fragen. Sie fürchtete sich vor der Antwort, die wahrscheinlich so ausgefallen wäre: „Mein Mann hatte einen, aber der ist ja nun leider nicht mehr.“

Fräulein Evas Hände zitterten noch ein wenig, als sie endlich im Freien neben dem liegengebliebenen Auto stand. Katja schaute sie fragend an.

„Kann man kaum glauben, dass Carmen Fahrlehrerin ist, nicht wahr?“ flüsterte sie.

Eva schluckte trocken. Sie war zu keiner Antwort imstande, weil alle Flüssigkeit ihres Körpers sich in ihrer Kleidung befand und beim Verdampfen in der Sonne einen kühlen Schauer verursachte. Oder es war einfach nur der Schock.

„Vielleicht solltet ihr die Röcke heben. Wir haben einen Reifen zu wechseln“, knurrte Carmen-Maria genervt. Eva begann die Ärmel der Bluse hochzukrempeln und fragte nach dem Wagenheber.

Carmen-Maria sah sie entgeistert an.

„Es ist ein Sünde selbst Hand anzulegen“, stellte Carmen fest. So konnte man das natürlich auch sehen.

*

Katja stand bereits am Straßenrand und wedelte mit ihren Beinen um Hilfe.

Doch der spanische Autofahrer, sofern er männlich war, schien nicht viel von der Idee zu halten in dieser brütenden Hitze, einen Reifen für drei schweißgetränkte Frauen zu wechseln.
In der Ferne konnte Eva den Bus die Küstenstraßen entlang tuckern sehen. In Kürze würde der hier vorbeikommen und wenn es ihr Lieblingsbusfahrer wäre, könnte sie sich schon mal auf diverse spöttische Bemerkungen einstellen.

Eva glaubte schon von Weitem das frech grinsende Gesicht des Busfahrers beim Anblick der beiden Flittchen von Gestern erkennen zu können, als plötzlich Carmen-Maria auf die Fahrbahn sprang, sich breitbeinig mit auf die Hüfte gestemmten Armen vor dem Bus aufbaute.

Der Fahrer wirkte als hätte er den Leibhaftigen gesehen und trat voll in die Eisen. Er kam vielleicht vier Meter vor Carmen-Maria zum Stehen.

Dann folgte ein kurzer spanischer, lautstarker Wortwechsel, der damit endete, dass der Fahrer unter wüsten Beschimpfungen seiner Fahrgäste, den Reifen an dem Fiat 500 wechselte.
Eva staunte.

„Er besucht Carmen wohl hin und wieder nach dem Dienst“, bemerkte Katja beiläufig. „Ich muss dir ja wohl nicht sagen, wie man hier seine Rente als Witwe aufbessert.“

Eva nickte und war damit zufrieden, dass die Fahrt gleich weiter ginge. Hätte sie auch nur einen Schluck Wasser gehabt, hätte sie endgültig die Pille in ihrer Handtasche eingeworfen. Doch daran zu ersticken hätte vielleicht die Angst beseitig, aber ihr auch einen festen Wohnsitz auf Gran Canaria eingebracht, wie sie ihn wohl nicht haben wollte. Noch nicht.

*

Tatsächlich gab es mit Tante Carmen-Maria auf dem Einwohnermeldeamt keinerlei Probleme. Das Tantchen schien hier die richtigen Leute zu kennen. Jedenfalls war auch die Kontoeröffnung plötzlich ein Kinderspiel.

Alles wurde gut. Noch etwa 10 Tage und Evas Geld wäre da. Und bis dahin konnte sie bei Carmen-Maria unterkommen. Super.

Jetzt mit Tante Carmen zurückzufahren, das wollte Katja nicht. Und auch Eva war bereit eine Busfahrt in Erwägung zu ziehen. Katja hielt Eva die Karte hin.

„Komm wir schauen uns mal an, was mit diesem Popen Heinz ist, ja?“

Katja wollte unbedingt von der Krankenschwester zum Model mutierten. Im Prinzip um jeden Preis, das hatte Eva allmählich verstanden. „Nein“ sagen kam für Eva wohl nicht in Frage, in Anbetracht der Hilfe, die Katja und ihre Tante ihr hatten zukommen lassen. Also standen sie eine halbe Stunde später mit offenen Mündern vor der Kathedrale Santa Anna, dem Sitz des Bischofs der Kanarischen Inseln.

*

Eva beschlich ein ungutes Gefühl als Katja die Karte von Dicky Dick Johannson bei der Nonne im Nebengebäude abgab. Aber es hatte wohl alles seine Richtigkeit. Die Nonne nickte und liess die beiden Damen im Seitenflur warten.

Pope Heinz war kein besonders phantasievoller Deckname, wie Eva eigentlich vermutet hatte, sondern es war ein ganz normaler Priester mit dem Namen Heinz, der Eva und Katja bat ihm zu folgen. In einem kleinen Arbeitszimmer, das vollgestopft mit Akten und religiösen Gebrauchsgegenständen war, erklärte Pope Heinz, dass sie wirklich Glück hätten und der Bischof Zeit für eine Audienz hätte.
Irgendwas lief wohl falsch. Eva hatte nicht die mindeste Lust auf eine Audienz beim Bischof. Wozu auch?

Wenn Sie mit dem Honorar einverstanden wären, könnten sie sich jetzt gleich einkleiden. Eva verstand nur Bahnhof und Katja nickte begeistert, nachdem sie gehört hatte, dass sie 500 Euro für ihre Dienste bekommen sollten.

Eva wäre lieber am Strand in den weiten Sanddünen von Maspalomas gewesen, hätte einen kühlen Drink geschlürft und sich überlegt, wo man wohl am besten eine kleine Strandbar aufmachen könnte, anstatt in diesem muffigen engen Raum zu stehen und in einem Schrank voller Nonnentrachten nach der passenden Grösse zu suchen.

Pope Heinz wich den beiden Damen nicht von der Seite, während sie versuchten sich die Nonnentracht überzuziehen.

„Lass das an“, kommentierte Heinz knapp, als Eva ihre Nylons lösen und den Hüfthalter ausziehen wollte.

„Unter der Tracht?“

Heinz nickte stumm und beobachtete weiter, wie die Frauen sich umzogen.

„Der Bischof wird nicht angesprochen“, erklärte Heinz, als sie fast fertig waren.

„Der Bischof ist im körperlichen Sinne gar nicht anwesend, haben wir uns verstanden?“

Der Ton des Priesters glich sich so langsam dem zu erwartenden Honorar an.

„Wenn der Bischof, auch wenn er gar nicht da ist, etwas sagt, so werden seine Wünsche umgehend ausgeführt.“

Dann brachte Heinz, die beiden frisch gebackenen Nonnen in den Thronsaal, vielleicht war es auch der Speisesaal, jedenfalls groß und pompös. Am Kopfende des Raumes stand ein riesiger Tisch mit einer Menge Stühlen. Überall waren Scheinwerfer aufgebaut und zwei Kameras standen einsatzbereit auf Stativen davor.

Eva und Katja waren beeindruckt. Auch von dem kleinen fetten Bischof, der sich am anderen Ende des Raumes schwerfällig in einem vergoldeten Sessel fläzte.

„Haben wir jetzt endlich alle zwölf“, fragte der Bischof gelangweilt.

„Ja Exzellenz, alle Zwölf.“

„Gut. Dann bereite alles vor und hol die anderen. Ich ziehe mich um.“

Der Bischof hob sich ächzend aus dem Sessel und verschwand durch eine Tür in der Wandtäfelung, die auf den ersten Blick kaum zu erkennen war. Pope Heinz führte einen kurzen Anruf und legte Eva und Katja einen Vertrag vor.

„Das hier müsst ihr noch unterschreiben“, erklärte er knapp. „Damit erklärt ihr euch einverstanden, dass die Bilder veröffentlicht werden und dass ihr die Sache geheim haltet.“
Eva war allmählich ernsthaft beunruhigt. Die Sache hier wurde ihr ein wenig unheimlich.

Katja unterschrieb ohne nachzudenken und hinter ihnen ging eine weitere Tür in der Wandvertäfelung auf. Herein kamen zehn weitere Nonnen, die aussahen, als wären sie ins Gebet vertieft und stellen sich hinter dem großen Tisch auf.

„Geht da rüber und lasst euch eure Plätze zeigen.“

Viel gesprochen wurde nicht und Pope Heinz stand vor dem Tisch und korrigierte anhand eines Bildes die Position seiner zwölf Nonnen.

Dann kam der Bischof zurück. Allerdings nicht als Bischof. Er hatte jetzt große Ähnlichkeit mit Gott. Er trug eine Art weiße Tunika, eine Maske mit Perücke, so dass es aussah als hätte er langes, wallendes weißes Haar. Ja, so stellt man sich Gott vor, vielleicht ohne die protzigen Goldringe an der Hand.

Zwei Mönche, die von irgendwo her gekommen waren, begannen die Fotos zu machen. Der Bischof gab immer wieder Anweisungen und letztlich legten die Nonnen immer mehr Kleidungsstücke ab. Zum Vorschein kamen, Korsetts und allerlei Korsagen zum Teil aus Leder oder Latex. Richtige Nonnen waren das wohl nicht.

Diese Version des letzten Abendmahls artete langsam aber sicher in die letzte Orgie aus. Eva hielt sich dicht bei Katja, doch verlangte der Bischof dann, dass Katja sie auf dem Tisch oral befriedigen sollte. Sie waren nicht die einzigen. Auf und um den Tisch herum befummelten und beleckten sich diverse Nonnen. Eva war nicht sicher, ob sie Katja Zunge an sich spüren wollte. Allerdings stellte sich diese Frage nur kurz, dann war sie nicht sicher, ob sie wollte, dass Katja damit wieder aufhörte. Katja grinste zu ihr hoch. Es schien ihr nichts auszumachen, im Gegenteil.

Gott ging unterdessen um den Tisch herum und drang mal hier, mal dort ein. Er verteilte kleine Oblaten, die er sich auf sein Glied legte und als seinen Leib anpries. Wenn eine Frauen, die Oblate im Mund hatte überschüttete der Bischof die Sünderin zumeist mit Wein aus einer Flasche. Es war eine ordentliche Sauerei, wie gesagt eine Orgie.

Eva hielt den Kopf von Katja fest an seinem Platz, denn solange der dort war, konnte der Bischof mit seinem Oblatenspender bei ihr nicht landen.

„Du da“, grunzte der Bischof und zeigte auf Eva. „Lutsch dem Teufel das Horn.“

Eva wusste im ersten Moment nicht, was gemeint war, bemerkte dann aber dass gleich hinter ihr der Leibhaftige seinen Platz eingenommen hatte. Eva hatte kein grundsätzliches Bedürfnis Hörner zu lutschen und das des Leibhaftigen schon gar nicht. Sie zögerte. Für sie war hier Schluss. Katja schien zu merken, das Eva in Bedrängnis war. Und noch bevor der Bischof etwas sagen konnte, hatte Katja das Horn des Teufels im Mund und zwar derart, dass es nicht mehr zu sehen war.

Der Bischof tobte. „Nicht den Schwanz, du Nonnenhure, verdammt! Das Horn! Bist du zu blöd Schwanz und Horn auseinander zu halten!?“

Katja gab frei, was des Teufels war und Eva entdeckte auf dem Stück Fleisch eine Tätowierung, ähnlich der Banderole einer Ketchup-Flasche mit einem Firmenlogo. Wenigsten wußte sie jetzt, dass es Heinz war, der unter unheimlichen Satansmaske sein Unwesen trieb.

„Du auch!“ rief der Bischof wütend.

Katja und Eva machten sich daran dem Teufel die beiden gewaltigen Hörner auf dem Kopf zu lutschen, was den Bischof einigermaßen zu besänftigen schien.

„Sehr gut, sehr gut!“ grunzte er. „Und jetzt du.“

Eva spürte sie sich jemand an ihren Hinterbacken zu schaffen machte. Es war eine der anderen Nonnen in einer Korsage aus Latex. Sie schaute hoch zu Eva und entblößte dabei eine Art Vampirgebiss.

Was für ein bescheuerter Maskenball, dachte Eva noch, als sie schmerzhaft feststellen musste, dass die Zähne der Vampir-Nonne wohl echt waren.
„Autsch. Jetzt reicht‘s mir aber!“ schrie Eva wütend.

Sie sah an ihrem Hintern die Abdrücke von Zahnreihen, die sich rasch rötlich färbten.

„Spinnst du?“

Die Vampir-Nonne fauchte, als wenn sie eine bedrohte Katzenart wäre.

„Na super, das blutet“, stellt Eva stinksauer fest. „Für mich ist jetzt aber Schluss!“

Eva sprang von dem Tisch, griff sich ihre Kutte und war bereit sich zu verabschieden.

Der Bischof war außer sich.

„Du hast einen Vertrag unterschrieben, wenn du jetzt gehst, dann exkommuniziere ich dich und du wirst auf dieser Insel nie wieder eine Arbeit finden.“

Katja schaute irritiert von ihrem Horn hoch. Es war totenstill, alle Nonnen hatten ihre Tätigkeiten unterbrochen und verfolgten gespannt der Szene.

„Ihr habt doch hier nicht mehr alle Hostien im Kelch“, behauptete Eva wütend. „Ich gehe. Das Geld könnt ihr euch sonstwo hinschieben. Und ausserdem bin ich protestantisch. Also interessiert mich diese Kommunionsquatsch nicht.“

Eva drehte sich empört um und suchte den Ausgang. Sie hätte von Katja nicht verlangt sich ihr anzuschliessen, war aber froh, dass Katja ihr wie selbstverständlich folgte. Eine echte Freundin eben.
„Ich spreche den Kirchenbann über euch aus!“ kreischte der fette Bischof im Kostüm Gottes den beiden Frauen hinterher. „Ihr macht mir mein Abendmahl kaputt.“

Der Bischof trommelte hysterisch auf dem Tisch herum.

„Heinz! Schaff mir diese beiden Hintern zurück! Ich will zwölf nicht, zehn, hörst du! Zwölf, zwölf Mösen nicht zehn! Heiiinz!“

Wenigstens hatte Heinz diese alberne Teufelsmaske abgenommen, als er den beiden Frauen in das Umkleidezimmer gefolgt war.

„Das könnt ihr nicht machen“, sagte Heinz. „Der Bischof ist sauer.“

„Na und“, sagte Eva.

„Ihr kriegt auf dieser Insel nie wieder ein Bein auf den Boden“, behauptete Heinz.

Fräulein Eva musste lachen. Bei diesem Bischof kriegten die Frauen doch sowieso kein Bein auf den Boden. Die hielten sie doch im Prinzip die ganze Zeit über in die Luft.
„Ich lasse mich nicht von kleinen fetten Bischöfen besteigen“, stellte Eva klar. „Jedenfalls nicht, solange ich noch bei halbwegs Bewusstsein bin.“

„Nun, das liesse sich vielleicht einrichten…“, setzte Heinz einen Gedanken an, den er aber gleich wieder verwarf, als er in die Gesichter der beiden Frauen sah.

Eva und Katja hatten sich umgezogen und ließen Heinz einfach stehen. Draußen strahlte die Sonne und Eva schickte sich an, diese dumme Geschichte einfach zu vergessen.
„Was nun?“ fragte Katja.

In diesem Moment hielt mit leicht quietschenden Reifen ein Bus vor der Kathedrale Santa Anna. Ein bereits bekannter Busfahrer winkte die beiden heran.

Der Fahrer war wie ausgewechselt. „Wenn ihr mitwollt … Ihr könnt auch umsonst … Carmen hat gesagt, ihr seid gute Freunde und da will man ja nicht …“

Katja und Eva grinsten sich an, dann den Busfahrer und stiegen ein.

*

„In das Krankenhaus kann ich jedenfalls nicht mehr“, stellte Katja traurig klar, nachdem sie einen Platz gefunden hatten. „Das war konfessionell und Dicky Dick gibt uns mit Sicherheit auch keinen Job mehr.“

„Du kannst doch bei mir in der Strandbar arbeiten“, versuchte Eva sie aufzumuntern. „Die kaufe ich mir, sobald das Geld da ist.“

„Ja, das wäre toll“, sagte Katja mit wenig begeistert. „Aber Model werde ich wohl nicht mehr.“

Eva dachte einen Moment nach und sagte: „Wir können doch unsere eigene Webseite aufmachen und für uns selber modeln, oder?“

Katja Gesicht leuchtete schlagartig auf.

„Ja, das wäre klasse. Dann können wir auch selber bestimmen, was wir tun.“

„Genau. Nix mehr mit Teufelshörnern und so einem Mist, nur noch schöne erotische Fotos.“

„Nur wir beide?“ fragte Katja und schaute Eva tief in die Augen.

„Nur wir beide“, bestätigte Eva.

Und damit war die Sache beschlossen. So wurde also aus Fräulein Eva das Model Eva. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann posen sie noch heute unter Spaniens heißer Sonne für das grosse Bildernetz.

Ende

Eva & der Zorn des Bischofs (9) - © Copyright bei Ingolf Behrens, Hamburg, 2008. Alle Rechte vorbehalten.